Ich weiß, ich hab diesen Post großspurig für den 31. August angekündigt, aber das hab ich leider nicht geschafft. Das echte Leben ist mir dazwischen gekommen. Ich kann es auf jeden Fall nicht fassen, dass es ein Jahr her ist, dass ich in Kanada war und ich halte es immer noch für die richtigste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich vermisse dieses Jahr „Auszeit“ sehr und ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, auch wenn ich mein Leben im Moment sehr genieße. Vor Allem die Zeit in Kanada hat mich beeindruckt.
Das ist womöglich der schwierigste Blogpost, weil ich mir
nicht sicher bin, ob ich es schaffe, alle Erfahrungen und Eindrücke, alle
positiven und negativen Seiten, alle Gefühle und alle Ängste in einen Text zu
fassen und sie verständlich auszudrücken.
Vielleicht sollte ich chronologisch vorgehen:
Angefangen hat alles in der vierten Klasse, vielleicht ein
bisschen früher, ein bisschen später. Jedenfalls stand für mich damals schon
fest, dass ich Zeit im Ausland verbringen will. Das G8 hat mir ja einen
sauberen Strich durch ein Auslandsjahr gemacht, weil früher hat man einfach die
Elfte im Ausland gemacht und ging dann in die Oberstufe, aber das war ja nun
nicht mehr möglich – ein Jahr zu wiederholen kam für mich nicht infrage.
So begann ich mich mit Beginn der Oberstufe mit meinen
Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Zuerst hatte ich mich sehr auf die USA
versteift. Neuseeland und Australien haben mich nicht interessiert und Europa
war mir schlicht und ergreifend nicht weit genug weg. Durch Verwandte in den
USA hätte ich den optimalen Anschluss gehabt, hätte dort arbeiten können und
nebenbei das Land kennen lernen können. Kann ja keiner wissen, dass die
US-Amerikaner bitte niemanden in ihrem Land haben wollen, der nicht gerade Au
Pair macht (was für mich überhaupt nicht in Frage kam!). Als ich rausgefunden
hatte, dass es dort nicht möglich sein wird, Geld zu verdienen und mir dort
studierte Semester in Europa nicht angerechnet werden, war ich ein bisschen
desillusioniert – was nun?
Glücklicherweise hat sich mein Papa in die Planungen eingeschaltet und ich wurde auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, in Kanada ein Praktikum zu absolvieren – allerdings im Schweinestall.
Glücklicherweise hat sich mein Papa in die Planungen eingeschaltet und ich wurde auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, in Kanada ein Praktikum zu absolvieren – allerdings im Schweinestall.
Ich hab nicht lange überlegt und sofort zugesagt, zuerst vor
allem aus Mangel an Alternativen. Nach und nach kam die Vorfreude, jedoch nicht
auf die Arbeit, sondern rein auf das Land, das mich wirklich sehr reizte. Vorstellungen hatte ich
überhaupt keine und auch so gut wie keine Informationen, außer dass die Familie
sehr nett sei und ich auf jeden Fall Hilfe in der Nähe hätte, falls irgendwas
schief gehen sollte. Ich hatte nur E-Mail Kontakt und das Versprechen, dass ich
am Flughafen in Toronto abgeholt werde. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt
und alles andere ist Geschichte.
Das Heimweh überfiel mich bekanntermaßen hinterrücks und so
musste schnell eine Alternative für 2013 gefunden werden – Studium war erst im
Oktober möglich, ich aber ab Januar arbeitslos. Die Arbeit in Niederbayern war
wirklich ein Glücksgriff, bei der ich viel lernte. Das Praktikum in Dänemark
war ein ähnliches Wunder, meine erste Bewerbung scheiterte kläglich, weil alle
Stellen schon lange besetzt waren. Durch freundlichste Hilfe bekam ich dann
doch noch einen Praktikumsplatz und bin sehr froh darüber. Doch alle diese
Details waren hier schon zu lesen, es geht ja ums Fazit.
Mein Fazit ist auf jeden Fall, dass ich weder dieses
ausgesetzte Jahr noch die verschiedenen Praktika bereue. Ich halte es nach wie
vor für die beste Idee seit langem. Ich durfte endlich mal etwas lernen und machen,
das mir Spaß macht und das mich begeistert – was ich von der Schule nicht
behaupten kann, ich hab die 12 Jahre durchgezogen, weil es mir nicht
schwer fiel und ich nach der Zehnten wirklich nicht wusste, was ich machen
wollte.
Ein großer Pluspunkt ist zum Beispiel meine
Selbstständigkeit. Ich bin daheim natürlich nicht selbstständig, auch wenn ich
könnte, aber die Bequemlichkeit ist doch viel zu groß. In Kanada oder in
Dänemark, in Niederbayern nicht so sehr, musste ich aber selbstständig sein.
Ich musste selbst für mein Essen sorgen und wenn ich krank war oder sonst irgendwas
war, dann hab ich mich selbst drum gekümmert. Es gab immer Leute, die im
Notfall da waren und geholfen hätten, aber das nimmt man auch nicht wegen jeder
Kleinigkeit in Anspruch.
In Kanada hab ich auch gelernt, dass man manchmal einfach
„durch muss“, also wie „Augen zu und durch“. Alleine im riesengroßen, alten,
alleinstehenden Farmhaus war sicherlich nicht immer ein Spaß, aber ich hab es
so gewollt, es war so ausgemacht, also wurde das durchgezogen. Um 5 Uhr bei
Minusgrade aufzustehen und im Stall erst mal duschen zu gehen war auch kein
Vergnügen, aber die Alternative wäre die Heimreise gewesen und das war keine Option.
Auch die Arbeit war manchmal hart an der Grenze, aber ich glaub, das war
wichtig. Ich bin sehr froh, dass ich zuerst in Kanada war und damit mit dem
härtesten meiner Praktika angefangen hab. Hätt ich mit Dänemark begonnen, hätte
ich Kanada nicht so gut weggesteckt, weil mir die Arbeit dann unendlich schlimm
erschienen wäre. Außerdem glaube ich, dass ich für Kanada auch noch den meisten
Enthusiasmus hatte und das hat mir auch viel geholfen.
Kanada ist und bleibt für mich das Nonplusultra, ich denke
eigentlich jeden Tag an meine Erfahrungen dort, ich hab immer noch Kontakte und
ich hab mich auch in das Land verliebt. Leider ist aber vor ein paar Wochen
meine Gastoma Rose an Krebs gestorben. Ich weiß, dass ich nicht lang da war und
dass ich wahrscheinlich erst in einiger Zeit wieder die Gelegenheit gehabt
hätte, hinzufliegen, aber ich hatte immer das Vorhaben, sie nochmal zu treffen.
Ihr Tod hat mich ganz schön traurig gemacht.
Inoffiziell wurde ich auch bezahlt, was bedeutet, dass ich
in Kanada genügend Geld verdient hab, um davon zu leben, nur den Hinflug haben
meine Eltern bezahlt.
Das Heimweh war im Endeffekt auch eine positive Erfahrung,
auch wenn die Zeit hart war – sowohl für mich, als auch für meine Familie. Vor
allem in der Zeit hab ich gemerkt, wie stark mein Rückhalt von Zuhause ist und
auch, wie sehr ich darauf angewiesen bin. Man kann mit 18 leicht erwachsen
sein, wenn man zuhause in Deutschland bei Mama und Papa ist, es wird aber merklich
schwerer, wenn man 6000 Kilometer von Daheim entfernt ist. Ich hab definitiv
gelernt, meine Familie noch mehr zu schätzen. Vor allem für das Verhältnis zu
meiner Schwester war dieses Praktikum das Beste, was ich machen konnte.
Trotzdem hat mich das Heimweh zur Heimreise bewogen, aber
das finde ich im Nachhinein gar nicht mehr schlimm. Ich hab in diesem Jahr im
praktischen Bereich so viel gelernt, ich habe viele neue Leute kennen gelernt,
andere Länder gesehen (wo ich Niederbayern eindeutig als neues Land rechne!)
und das Jahr genossen. Ich hatte Spaß und das ist glaube ich das
Allerwichtigste.
Ich denke außerdem, dass ich gelernt hab, mich anzupassen
und mich in der Fremde zurechtzufinden. Ich bin mit allen möglichen Leuten
zusammengetroffen und hatte nie größere Probleme. Ich bin in fremde Städte und
Gegenden gezogen und hab trotzdem was zu essen und die Einkaufsstraße gefunden.
Ich hab gelernt, dass man einfach mal selbst sein und vor allem höflich zu den
Leuten sein muss, dann wird man überall freundlich aufgenommen. Auf der Arbeit
hilft Fleiß und Engagement enorm – Wayne habe ich sicherlich nur durch
Motivation für mich eingenommen, nicht weil ich so nett war, das war ihm
ziemlich egal, glaub ich. Man muss nachfragen, sich bemühen, alles richtig zu
machen, man muss offen sein für Neues. Ich hätte vorher von mir behauptet, dass
ich das kann, aber in der Fremde hab ich gemerkt, dass ich das wirklich drauf
hab – und das es riesigen Spaß macht! Wenn ich jetzt Bilder von kanadischen
Facebook-Freunden sehe oder eine E-Mail von Dorte oder Kamilla kriege, freue
ich mich immer über die Kontakte, die ich knüpfen konnte. Auch wenn es leider
sehr schwierig ist, die zu pflegen, weil die Entfernungen zu groß sind.
Seit 1.10 studiere ich. Bis jetzt macht es noch nicht
übermäßig großen Spaß. Es ist okay, meine Mitschüler sind eine ganz lustige
Truppe und mit Lernaufwand werde ich wohl auch gut mitkommen, aber mir fehlt
die Arbeit schon. Im Moment hoffe ich, dass die dreieinhalb Jahre schnell
vorbei gehen, weil Arbeiten toll ist!
Alles in Allem war dieses eine Jahr „Auszeit“, das ja keine
war, bisher die beste Idee meines Lebens – und auch die beste Zeit. Ich habe
freie Zeit und selbst verdientes Geld noch nie so zu schätzen wissen und ich
hab definitiv festgestellt, dass man arbeiten kann, was man will – solange die
Leute nett sind macht alles Spaß.
Danke.